Hanna Wolf, MdB 
Pressemitteilung 
Dienstag, 6. Januar 1998 

Ministerin Nolte in unheiliger Allianz mit Kardinal Wetter 

Zur jüngst wieder aufgeflammten Diskussion zum § 218 erklärt die stellvertretende frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hanna Wolf (München): 
 
Ich mache die „Frauenministerin“ Nolte dafür verantwortlich, daß die Diskussion zum §218 wieder aufgebrochen ist. Mit ihrer Fehlinterpretation der Abtreibungsstatistiken, in der sie auch vom statistischen Bundesamt korrigiert worden ist, und mit ihrer Forderung nach erneuter Nachverhandlung des 1995 endgültig beschlossenen § 218- Kompromisses hat sie ganz offenbar schlafende Hunde geweckt. Naiv oder berechnend? 

Naiv wäre sie zu nennen, wenn man ihr nur mangelnden historischen Überblick über die Geschichte des Ringens um den § 218 unterstellte. Berechnend wären ihre Äußerungen zu nennen, wenn man sich erinnert, daß sie durchaus rechtsklerikalen Kreisen zuzuordnen war oder ist. Sicher war ihre Absicht jedenfalls, die schwache Stellung der bayerischen Staatsregierung und Ministerin Stamm vor dem Bundesverfassungsgericht zu den bayerischen Ausführungsgesetzen zum § 218 zu stützen, denn gerade hier geht es um den flächendeckenden Versorgungsauftrag mit Beratungs- und Abbruchmöglichkeiten. Stellt man jedoch das gesamte Schutzkonzept in Frage, so wie es Frau Nolte getan hat, dann braucht man sich um eine Flächendeckung nicht mehr zu kümmern. 

Im Windschatten solcher Auseinandersetzung glaubte nun ein Kardinal Wetter, in seiner Neujahrsansprache auf die vermeintlichen Täter einschlagen zu können. Er traf die Opfer: Einerseits die Familie von Natalie Astner und alle Familien, deren Kinder mißbraucht und ermordet worden sind und andererseits Frauen, die sich in ihrer Not zur Abtreibung entschlossen haben oder entschließen werden. Daß ein Kardinal besonders in Gefahr stehen kann, weltfremd zu sein, mag seine Erklärung haben, daß er jedoch unbarmherzig ist, verstößt gegen sein Amt. Einen Politiker kann man bei Verfehlungen im Amt zum Rücktritt auffordern, aber einen Kardinal . . . ? 

Ich fordere deshalb Frau Nolte auf, die Diskussion zu diesem Thema wieder einzufangen und auf ihre rechtskonservativen Kirchenkreise im Sinne des gefundenen §218-Kompromisses einzuwirken. Demokratische Entscheidungen mögen nicht immer nach dem Geschmack von weltanschaulich stark geprägten Gruppen sein. Es muß aber auch von ihnen akzeptiert werden, daß sie für die übrigen Bürgerinnen und Bürger gelten dürfen. Frau Nolte jedenfalls ist nicht als Lobbyistin dieser Kreise in der Regierung, sondern hat als Ministerin demokratische Entscheidungen zu verteidigen.