Sitzung des Deutschen Bundestages, 10. November 2000
Lebenspartnerschaftsgesetz
 
 

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Margot von Rennesse, Hanna Wolf (München), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Claudia Roth (Augsburg), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften (Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG)

  • Drucksache 14/3751 –
online ISDN

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt die Kollegin Hanna Wolf.

Hanna Wolf (München) (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin wie Kerstin Müller der Meinung, dass wir heute hier eine historische Entscheidung treffen. Ich möchte mich in meinem Beitrag mit dem Vorwurf der CDU/CSU auseinander setzen, den sie gerne ins Feld führt, unser Gesetzentwurf zur eingetragenen Lebenspartnerschaft gefährde den grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie. Diesen Vorwurf halte ich für vorgeschoben. Sie wollen nämlich die Inhalte nicht und reden sich auf die Verfassung heraus.

(Beifall bei der SPD)

Wenn die Zeitung mit den großen Buchstaben "Homo-Ehe" schreibt, dann ist das eine schlagzeilenartige Verkürzung. Erlauben Sie mir einen ironischen, saloppen Einwand: Genauso wie der Leberkäs kein Käse ist, ist die so genannte Homo-Ehe keine Ehe im Sinne des Grundgesetzes, sondern eine eingetragene Lebenspartnerschaft.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In der Titelzeile unseres Gesetzentwurfes steht, worum es uns geht: um die Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften. Nach jahrhundertelanger Diskriminierung ist dies ein längst überfälliger Akt der Wiedergutmachung an lesbischen und schwulen Menschen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben ein Recht auf Selbstverwirklichung innerhalb des Schutzes und des Regelwerks der Gemeinschaft wie alle anderen.

Um nicht unsererseits für eine neue Diskriminierung zu sorgen, mussten wir uns an jenem Institut der Ehe orientieren, das gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften verwehrt ist. Ich gebe zu, dass die Ehe, wie sie heute noch verfasst ist, nicht das modernste Modell für eine Partnerschaft darstellt. Sie birgt nach wie vor die Gefahr von Abhängigkeiten und Rollenfixierung in sich; doch es war nicht unsere Aufgabe, die Ehegesetzgebung auf dem Umweg der eingetragenen Lebenspartnerschaften zu modernisieren. Das ist auch der Grund, warum sich gerade Feministinnen einen anderen Entwurf hätten vor stellen können. Aus dem gleichen Grund, warum nicht alle heterosexuellen Paare die Ehe für sich wählen, werden auch nicht alle homosexuellen Paare diese eingetragene Lebenspartnerschaft in Anspruch nehmen.

Hätten wir dagegen für homosexuelle Paare eine Art "Ehe-light" vorgesehen, wären wir in erhebliche verfassungsrechtliche Schwierigkeiten geraten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Denn wir hätten nicht begründen können, warum wir diese rechtliche Form heterosexuellen Paaren vorenthalten. Der PACS, wie er in Frankreich existiert, wäre bei uns verfassungsrechtlich nicht möglich; er würde tatsächlich die "Ehe-pur", wie wir sie nun einmal haben, infrage stellen.

Unsere Gesetzentwürfe stützen die Familie:

Erstens: Eltern werden darin gestärkt, die Homosexualität eines Kindes nicht als Unglück zu begreifen, sondern ihr Kind so anzunehmen, wie es ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wird ihnen leichter fallen, es gegen Diskriminierung durch andere zu verteidigen.

Zweitens: Einem Elternteil kann das Sorgerecht für das leibliche Kind nicht wegen Homosexualität abgesprochen werden und die soziale Elternschaft des schwulen Partners oder der lesbischen Partnerin wird durch das "kleine Sorgerecht" anerkannt. Somit können Kinder in einer Partnerschaft ohne Heimlichkeiten aufwachsen.

Die gemeinsame Adoption von Kindern haben wir nicht vorgesehen, auch wenn sie gerade in lesbischen Partnerschaften ein Thema ist. Wir glauben, dass die Gesellschaft hier noch nicht so weit ist, dies auch als dem Kindeswohl entsprechend anzusehen.

So weit zum Thema der eingetragenen Lebenspartnerschaften und dem grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie.

Nun zum Zusammenhang zwischen unseren beiden Gesetzentwürfen. Sie bilden nach wie vor eine Einheit. Wir wollen damit ein weiteres Wahlversprechen erfüllen, diesmal für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften. Da uns die CDU/CSU daran hindern will - wir haben heute Morgen sehr eindrucksvoll erlebt, wie sehr sie das will -, müssen wir den zustimmungspflichtigen Teil abtrennen. Es ginge jedoch nicht an, dass der Staat Bürgerinnen und Bürgern einen rechtlichen Rahmen anbietet und finanzielle Pflichten damit verbindet, ohne ihnen auf der anderen Seite finanzielle Rechte zu geben. Dies wäre zutiefst ungerecht und deshalb auch verfassungswidrig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die CDU/CSU kann nicht einerseits behaupten, die Zahl der von diesem Gesetz Betroffenen sei so gering, dass sich ein Gesetz gar nicht lohne - Herr Geis, Sie haben das heute Morgen noch einmal ausführlich so dargestellt -, und andererseits die Kosten für den Staat ins Astronomische rechnen. Meine Damen und Herren, kommen Sie sich da nicht selbst etwas kleinkariert vor? Von der Logik einmal ganz zu schweigen!

Herr Kollege Singhammer hatte sich plötzlich so besorgt gezeigt, wohin die Sozialabgaben des Ruhr-Kumpels in Zukunft gehen werden. Ich kann Ihnen versichern: Der Oma ihr klein Häuschen bleibt unangetastet, aber die Oma wird sich vielleicht eines Tages eher freuen können, dass sich ihr schwuler Enkel gerade verliebt hat. 

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)