Vernetzung der Frauengleichstellungsstellen

Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 13/148 vom 12.12.1996  Seite: 13457 ff

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Damit kommen wir zum 
Tagesordnungspunkt 11: Beratung der Unterrichtung durch die 
Bundesregierung Dritter Bericht der Bundesregierung über die 
Gleichstellungsstellen in Bund, Ländern und Kommunen 
- Drucksache 13/4021 - 
Überweisungsvorschlag: 
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (federführend), 
Innenausschuß, Rechtsausschuß. Dazu liegt je ein Entschließungsantrag 
der Fraktion der SPD sowie der Gruppe der PDS vor. 

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine 
halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so 
beschlossen. 
Die Abgeordneten Ilse Falk und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 
bitten, ihre Reden zu Protokoll geben zu dürfen.*) 
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) 
- Damit sind Sie einverstanden. 

Ich eröffne die Aussprache. Die Abgeordnete Hanna Wolf hat das Wort. 

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) 

Hanna Wolf (München) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und 
Kollegen! Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung. Ich muß sagen, es hat hier 
ein doch sehr merkwürdiges Verfahren stattgefunden. Auf der einen Seite 
wurden wir andauernd gedrängt, diese Debatte heute gar nicht zu führen, 
wegen der späten Zeit. Dazu muß ich sagen: Diese Zeit ist eigentlich 
ganz normal für Frauenthemen. Wir sind sogar viel früher dran als 
gedacht. 

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Christina Schenk (PDS)) 

Dann heißt es auf einmal: Wir geben die Reden zu Protokoll. Ich denke, 
wir hatten früher einmal einen kollegialeren Stil. Ich halte es diesem 
Thema auch nicht für angemessen, daß wir so verfahren. 

(Beifall bei der SPD) 

Frau Falk ist jetzt noch da. Ich verstehe überhaupt nicht mehr, Frau 
Falk, warum wir hier heute nicht doch noch dieses Thema aufgreifen, auch 
wenn die Sitzung jetzt zu Ende geht. Heute ist auch Zeit, das Thema 
aufzugreifen; denn es geht um eine Einrichtung - dazu werde ich 
hauptsächlich sprechen -, die abgeschafft werden soll. 

Aus dem Bericht der Bundesregierung - ich freue mich, daß die 
Staatssekretärin da ist - zu Gleichstellungsstellen geht hervor, daß die 
gegenseitige Vernetzung der jeweiligen Gleichstellungsstellen eine 
Grundvoraussetzung für ihre erfolgreiche Arbeit ist. Warum? Es handelt 
sich um eine vielschichtige Materie - Stichwort: Querschnittsaufgabe. Es 
gibt kein entwickeltes Berufsbild. Die Gleichstellungsfrauen vor Ort 
sind auf sich allein gestellt. Oft erfüllen sie ihre Aufgabe 
nebenamtlich, wie ich aus Bayern berichten kann. Gleichstellungsfrauen 
bläst oft der Wind ins Gesicht, zur Zeit ganz besonders. Sie müssen sich 
patriarchalen Strukturen und Verkrustungen mit besonderer Kreativität 
entgegenstellen. 

All das schaffen sie nur, wenn sie Gelegenheit haben, voneinander zu 
lernen. Nun gibt es seit drei Jahren endlich eine zentrale Stelle, die 
die kommunalen Gleichstellungsstellen vernetzt. Und was lesen wir im 
Bericht der Bundesregierung? 

Die Förderung läuft Ende Oktober 1996 aus; eine Verlängerung der 
Finanzierung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen 
und Jugend ist aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht möglich. 

(Dr. Edith Niehuis (SPD): Das ist schade!) 

Sie möchten also die Vernetzungsstelle kommunaler Frauen- und 
Gleichstellungsbeauftragter bei sehr lebendigem Leibe begraben. Dabei 
schicken Sie der Vernetzungsstelle wie bei manchen Begräbnissen auch 
noch Lobeshymnen hinterher - sozusagen ein Begräbnis erster Klasse. Den 
Lobeshymnen schließen wir uns gerne an, meinen sie aber ernst. Deshalb 
bringen wir heute unseren Entschließungsantrag auf Weiterbestand der 
Vernetzungsstelle ein. 

Bei Ihrer Ablehnung bemühen Sie das Haushaltsrecht. Sie gehen dabei 
immer nach dem gleichen Strickmuster vor und verhalten sich wie alle 
zahlungsunwilligen Väter. Sie rufen etwas ins Leben. Dann richten Sie 
für drei Jahre eine Modellförderung für diese sinnvolle Frauensache ein; 
das schmückt, und Uneingeweihte könnten meinen: Hier geht etwas voran. 
Nach drei Jahren aber, wenn alles so richtig in die Gänge gekommen ist, 
machen Sie sich auf und davon; andere sollen zahlen. 

Der Rückzug auf das Haushaltsrecht ist ein Scheingefecht. Wie die 
Bundesregierung sehr richtig vermerkt, gilt seit zwei Jahren ein Zusatz 
zu Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes, an den ich Sie noch einmal erinnern 
möchte: 

Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung 
von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender 
Nachteile hin. 

Ist der Bund nicht der Staat? Kann der Bund keine anderen 
Haushaltstitel als die Modellförderung finden, etwa im Bereich der 
institutionellen Förderung? Wo kämen wir hin, wenn Haushaltsrecht das 
Grundgesetz bricht? 

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. 
Christina Schenk (PDS)) 

Es ist die Pflicht des Bundes, dafür zu sorgen, daß die 
Gleichberechtigung der Frauen nicht durch regionale Verzerrungen auf der 
Strecke bleibt. Warum sollen die Länder allein für die Vernetzungsstelle 
zahlen? Es gibt inzwischen Angebote aus einigen Bundesländern, die sich 
gerne zum Beispiel an einer Drittelfinanzierung beteiligen würden. Aber 
die Bundesverantwortung muß bleiben. 

Leider haben die verschiedenen Bundesländer zur Gleichstellungsarbeit 
sehr unterschiedliche Vorstellungen. Das läßt sich schon an ihrer 
eigenen Personalausstattung ablesen: achteinhalb Stellen in Bayern, 68 
Stellen in Niedersachsen. Da kann man nur sagen: ein Lob auf die 
Niedersachsen! 

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 

Warum soll der Städtetag zahlen? Auch hier ist das Bewußtsein für die 
Notwendigkeit von Gleichstellungsarbeit sehr unterschiedlich. Der 
Bayerische Städtetag zum Beispiel findet sie eigentlich komplett 
überflüssig. 

Die Vernetzungsstelle hilft also den Gleichstellungsfrauen, regionale 
Unterschiede zu erkennen und anzugehen. Laut dem Bericht der 
Bundesregierung und auch nach unserer Meinung hat die Vernetzungsstelle 
hervorragende Arbeit geleistet. Sie ist damit noch keineswegs am Ende 
der Aufgaben, die ihr 1993 gestellt wurden. Es ist die Pflicht der 
Bundesregierung, dem Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes in der gesamten 
Bundesrepublik Geltung zu verschaffen. 

Bisher haben drei Frauen die Vernetzungsstelle für kommunale 
Gleichstellungsstellen aufgebaut und geführt. Dabei haben sie sich große 
Dankbarkeit und Anerkennung bei den alten und neuen kommunalen 
Gleichstellungsstellen erworben. Ihre Arbeit besteht aus Aufbau und 
Führung eines Archivs, Informationsaustausch unter fast 1 500 kommunalen 
Gleichstellungstellen, Informationsvergabe an Verbände, Medien und 
Wissenschaftlerinnen, Weitergabe von Namen und Adressen zu 
Spezialgebieten und Fortbildungen. Sie haben zur Fortbildung auch der 
Bundesregierung beigetragen, denn auch Sie - das ist ganz 
selbstverständlich - rufen dort sehr viel Informationen ab. Eigentlich 
müßten Sie sehr daran interessiert sein, diese Informationsstelle zu 
behalten. 

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) 

Nach dem Wunsch der kommunalen Gleichstellungsstellen müßten zum 
Beispiel noch die Nutzung des Internets und praxisbezogene 
Untersuchungen zur Gleichstellungsarbeit hinzukommen. 

Hinzu kommt: Nach der Gebietsreform in den neuen Ländern sind völlig 
neue kommunale Einheiten entstanden. Neue Gleichstellungsstellen 
entstehen erst langsam und mühsam, weil die Informationen fehlen. Viele 
der neuen Gleichstellungsfrauen kommen aus Berufsbereichen, die der 
Gleichstellungsarbeit zunächst fernstehen. Sie brauchen Informationen 
besonderer Art. Eine persönliche Bereisung dieser Stellen wäre 
wünschenswert und wird auch gemacht. Besonders vor dem Hintergrund der 
prekären Arbeitsmarktlage von Frauen in den neuen Ländern ist hier eine 
intensive Hilfestellung überlebenswichtig. 

Was hat nun die Vernetzungsstelle den Bund im Jahr gekostet? Ganze 0,37 
Pfennig pro Kopf der Bevölkerung. Wenn Sie unserem Antrag folgen, dann 
könnte sich die Förderung zum Beispiel auf einen halben Pfennig pro Kopf 
belaufen. Das wären äußerst bescheidene Fördermittel. Aus der bisherigen 
Arbeit haben sich, wie gesagt, weitere dringende Aufgaben entwickelt. 
Es ist einfach bewundernswert, was die Frauen in den 
Gleichstellungsstellen und die Frauen in der Vernetzungsstelle aus den 
Gegebenheiten gemacht haben. Ich möchte an dieser Stelle den Frauen in 
Hannover und allen kommunalen Frauenstellen in der Republik herzlich für 
ihre Arbeit danken. 

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) 

Sie haben noch etwas gemacht. Es ist wie in der Entwicklungshilfe. Wenn 
Frauen unterstützt werden, kommt enorm viel heraus. Ich habe die Summe 
genannt. Was die Frauen in diesem Land leisten, verdient unseren Respekt 
und die weitere Unterstützung. Ist nun der Bundesregierung, wie gesagt, 
die Vernetzungsstelle für weit über 40 Millionen Frauen, die in unseren 
Kommunen leben, keinen halben Pfennig pro Kopf wert? 

In ihrem Bericht über die Gleichstellungsstellen hält sich die 
Bundesregierung bei ihren eigenen Gleichstellungsstellen gar nicht lange 
auf. Es wundert mich nicht, denn ihr sogenanntes 
Gleichberechtigungsgesetz ist eben kein Ruhmesblatt. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) 

Es gibt zu viele Soll- und Kann-Bestimmungen. Sie nennen es - man muß es 
wirklich immer wieder lesen - "das wichtigste frauenpolitische 
Gesetzeswerk in der 12. Legislaturperiode", obwohl es nur für 373 000 
Frauen gilt, sozusagen eine interne Regelung der Firma 
"Bundesregierung" und kein Gesetz für den Rest der Bevölkerung. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS - Ilse Falk 
(CDU/CSU): Nennen Sie ein wichtigeres!) 

- Sie hätten hier reden können, dann hätten Sie jetzt darauf antworten 
können. Das ist dann auch Pech. 

(Zuruf von der SPD: Die CDU nimmt das nicht so wichtig!) 

- Manchmal muß man das später merken. - Ob das Gesetz wenigstens eine 
nachhaltige Förderung der Frauen in den Bundesbehörden gebracht hat, 
läßt sich nach dem vorliegenden Bericht nicht feststellen. Der 
Berichtszeitraum endet im Jahre 1994. Eine Erhöhung des Frauenanteils 
läßt sich zumindest bis dahin nur in homöopathischen Quantitäten 
feststellen. Ich habe einmal ausgerechnet, daß es einige hundert Jahre 
dauern wird, bis in den Bundesministerien die Frauen in 
Spitzenpositionen vertreten sind. 

Auch die Gleichstellungsfrauen im Bundesdienst versuchen, das Beste aus 
ihrer Situation zu machen. Auch sie haben sich übrigens in einem 
interministeriellen Arbeitskreis vernetzt. Sie fordern eine adäquate 
Freistellung für ihre Arbeit und Fortbildungen besonders für den 
nachgeordneten Bereich und ihre Vertreterinnen. Auch dies ist ein großes 
Ärgernis, daß die Frauen auch für Selbstverständlichkeiten immer kämpfen 
müssen, wie es sich hier wieder zeigt. 

Der Bericht der Bundesregierung wäre interessanter gewesen, wenn er 
nicht nur den Ist-Zustand der Gesetzeslage, sondern vor allem die 
Auswirkungen des Gesetzes beschrieben hätte. Für uns ist doch der 
politische Handlungsbedarf und nicht die Wiederholung des bekannten 
Gesetzes wichtig. 

Im übrigen werden wir nicht müde, ein echtes Gleichstellungsgesetz zu 
fordern, wie wir es in der letzten Legislaturperiode selbst eingebracht 
haben: mit einem Geltungsbereich für das gesamte Arbeitsleben, mit 
bindenden Vorschriften und Quoten und mit Sanktionen. 

Der Frauenministerin hätte ich jetzt gerne gesagt - aber vielleicht 
liest sie es ja nach -: Wenn ich Frauenministerin wäre, würde ich 
jedenfalls alles daransetzen, daß ich die Gleichberechtigung der Frauen 
noch selbst erlebe. Vielleicht hat sie ja Glück. 

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)