Reform des Kindschaftsrechts 

Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 13/192 vom 25.09.1997 - Seite: 17365  

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: . . . Nun treten wir in die Abstimmung über den von der Bundesregierung 

Zu einer Erklärung zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsordnung erteile ich nunmehr der Abgeordneten Hanna Wolf das Wort, die im Namen von 91 Abgeordneten der Fraktion der SPD spricht. 
Bitte schön. 

Hanna Wolf (München) (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 

Nachdem die SPD ihre Änderungsanträge in der zweiten Lesung nicht durchsetzen konnte, ist für einen Teil meiner Fraktion die Reform des Kindschaftsrechts so nicht zustimmungsfähig. Für diese Gruppe von 91 Kolleginnen und Kollegen, auch im Namen von Dr. Edith Niehuis und Ulla Schmidt, verlese ich folgende Erklärung: 

Die SPD hat sich jahrelang für eine Gesamtreform des Kindschaftsrechts eingesetzt. Wir begrüßen, daß bereits der von der Bundesregierung am 13. Juni 1996 beschlossene Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts einige unserer Vorstellungen von einer noch umfassenderen Gesamtreform aufgegriffen hat und in den Ausschußberatungen zusätzliche Teile unserer Forderungen durchgesetzt werden konnten. 

Ohne Zweifel sind zum Beispiel erbrechtliche Gleichstellungen von nichtehelichen und ehelichen Kindern, die Stärkung der Rechtsstellung der Kinder, die Möglichkeit der gemeinsamen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern für ihre Kinder nach übereinstimmender Erklärung und die Abschaffung der zwingenden gesetzlichen Amtspflegschaft für nichteheliche Kinder wichtige Reformen. 

Dennoch können wir dem zur Abstimmung gestellten Gesetzentwurf nicht zustimmen, weil er zentrale Probleme nicht zufriedenstellend löst. Unsere Bedenken beziehen sich auf § 1671 BGB, der nach einer Scheidung die gemeinsame Sorge der Eltern als Regelfall, die alleinige Sorge eines Elternteils aber nur auf Antrag vorsieht. 

Welches Sorgerechtsmodell für das Kindeswohl das beste ist, wird durch die Rahmenbedingungen des konkreten Einzelfalls entschieden und darf vom Gesetzgeber nicht präjudiziert werden. Wir gehen davon aus, daß eine gemeinsame Sorge nach einer Scheidung dann erfolgreich sein wird, wenn beide Elternteile es wollen und sich über die Auswirkungen im Alltag im klaren sind. Im Falle einer gemeinsamen Sorge nach einer Scheidung reicht uns die vorgesehene Ergänzung des § 613 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung in Verbindung mit § 1687 BGB nicht aus, weil durch sie die Rechte und Pflichten des Elternteils, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, und des anderen Elternteils nicht eindeutig geregelt werden. Die unklare Regelung provoziert in konfliktbeladenen Beziehungen geradezu weitere Konflikte und eine weitere Anrufung der Familiengerichte in Einzelentscheidungen, was dem Kindeswohl abträglich ist. Zudem belastet eine solche unvollkommene Regelung besonders den Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält. Nach allen nationalen und internationalen Erfahrungen sind dies unabhängig von dem jeweils gewählten Sorgerechtsmodell überwiegend die Frauen. 

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Frau Kollegin, darf ich Sie einen Moment unterbrechen? Ich möchte die Kollegen, die sich im Saal unterhalten wollen, bitten, der Rednerin wenigstens nicht immer den Rücken zuzuwenden, wenn das irgendwie einzurichten ist. 

Bitte, fahren Sie fort. 

Hanna Wolf (München) (SPD): Danke, Herr Präsident. 

Unsere Zustimmung zur vorgelegten Fassung der Kindschaftsreform wäre nur gegeben, wenn die im Antrag der SPD formulierte Elternvereinbarung bei gemeinsamer Sorge nach Scheidung in den zur Abstimmung anstehenden Gesetzentwurf eingearbeitet worden wäre. 

Durch die Ablehnung der von der SPD-Bundestagsfraktion in der zweiten Lesung eingebrachten Änderungsanträge ist diese Möglichkeit nicht mehr gegeben. 

Gleiches gilt für den § 1631 BGB. Angesichts der UNO- Kinderrechtskonvention, die im Art. 19 von den Vertragsstaaten alle möglichen Gesetzgebungsmaßnahmen fordert, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung zu schützen, ist die vorgesehene Fassung 

Entwürdigende Erziehungsmaßnahmen, insbesondere körperliche und seelische Mißhandlungen, sind unzulässig vollkommen unzureichend. Diese Formulierung wird unserem Anspruch, Kinder als eigenständige Persönlichkeiten anzuerkennen, nicht gerecht. Gerade angesichts der öffentlichen Besorgnis über Gewalttaten, auch sexualisierter Gewalttaten, an Kindern wäre der Gesetzgeber aufgefordert, ein Signal zur Stärkung der Persönlichkeit des Kindes zu setzen. Darum halten wir die Aufnahme des Satzes "Kinder sind gewaltfrei zu erziehen" für eine zentrale Forderung im Rahmen einer Reform des Kindschaftsrechts. 

Weil wir wissen, daß wichtige Forderungen der SPD im Gesetzentwurf zum Kindschaftsrecht aufgenommen wurden, aber zentrale Anliegen nicht aufgenommen wurden, werden wir uns in der Abstimmung der Stimme enthalten. 

Danke schön. 

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)