Deutscher Bundestag 214. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 Tagesordnungspunkt 1: Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich gebe das Wort der Kollegin Hanna Wolf. Hanna Wolf (München) (SPD): Herr
Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben aus
großem Verantwortungsgefühl heraus das Embryonenschutzgesetz
debattiert und verabschiedet. Wir wollen seinen Geist auch nicht ändern.
Embryonale Stammzellen waren zu der Zeit der Verabschiedung des Gesetzes
unbekannt. Aus embryonalen Stammzellen kann sich zwar kein Leben mehr
entwickeln, aber sie sind aus Embryonen gewonnen worden. Diese Gewinnung
ist bei uns immer noch ungesetzlich - aus gutem Grund, wie ich meine.
Wenn wir solche nach unserem Gesetz unrechtmäßig gewonnenen
embryonalen Stammzellen importieren, dann geben wir gleich, so finde
ich, einen Freifahrschein für die Erzeugung solcher Zellen in Deutschland.
Forderungen hiernach gibt es bereits. (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Richtig!) Das Tor zur Gewinnung von Stammzellen
wurde durch die In-vitro-Befruchtung geöffnet. Leider können
wir sie nicht mehr zurückschrauben. Sie ist aber das Einfallstor
dafür, dass der Mensch zum formbaren Produkt wird. Der nächste
Schritt heißt wahrscheinlich irgendwann PID. Wir befinden uns
also auf einer schiefen Bahn. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die embryonalen Stammzellen außerhalb Deutschlands stellen die Fakten dar, vor denen wir heute stehen. Vor welchen Fakten stehen wir morgen? Wie verändern sie unser Verhältnis zum Menschsein? Wie verändern sie die Position von Frauen? Heute schon bezweifeln wir, ob die existierenden embryonalen Stammzellen virenfrei sind. Der "Sauerteig" kann durch die Art seiner Vermehrung verseucht sein. Neue Stammzellenreihen werden bereits verlangt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb sollten wir heute ein Verbot des Imports embryonaler Stammzellen beschließen. Die vielen Briefe aus der Bevölkerung,
die ich ebenso wie Sie alle bekommen habe, sprechen sich ganz überwiegend
gegen den Import aus. Sie sind Ausdruck einer regen öffentlichen
Diskussion. An dieser Stelle danke ich für die vielen ernsten Gedanken,
die mir übermittelt wurden. Sie befassen sich immer wieder auch
damit, dass die Illusion der Perfektion den richtigen Umgang mit Behinderung,
Krankheit und Sterben verhindert. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)
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