Hanna Wolf
Wenn Männer entscheiden: Im Zweifel für den Mann
Zum BAG-Urteil im Fall Kalanke erklärt die stellvertretende frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hanna Wolf:
Wenn Männer entscheiden, dann kommen solche frauenfeindlichen Urteile heraus wie das des BAG. Der rein männlich besetzte erste Senat des BAG hat die bremische Quotenregelung mit der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie für unvereinbar erklärt. Damit schloß er sich dem ebenfalls ausschließlich männlich besetzten EuGH an.
Das BAG fordert eine Härtefallklausel. Damit wird den Personalverwaltungen jedoch in vielen Fällen die Möglichkeit eröffnet, die Quote zu unterlaufen, z.B. weil der männliche Bewerber Alleinverdiener in der Familie ist. Um dies zu verhindern, muß die Härtefallregelung zumindest sehr eng ausgelegt und auf schwerwiegende Gründe beim Bewerber, wie eine Schwerbeschädigung, begrenzt werden.
Es ist zu bedauern, daß das BAG nicht die Möglichkeit genutzt hat, die Sache erneut dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen. Gründe dafür gab es genug:
- Der Frauenförderverpflichtung der EU-Richtlinie hätte Vorrang gegenüber
dem
Diskriminierungsverbot für Männer gegeben werden müssen. Um eine
gleiche Teilhabe von Frauen und Männern zu erreichen, reichen nicht allein
Kindergartenplätze und Fortbildungsmaßnahmen - so wichtig sie auch
sind -, die Qualifikation haben Frauen, nur Männer werden ihnen trotzdem
vorgezogen.
- Die qualifikationsbezogene Quote, wie es sie in Bremen gibt, ist keine "automatische"
und erst recht keine "starre" Quote. Im Gegenteil: über den Gesichtspunkt
der Qualifikation
fließt eine Bewertung in die Entscheidung ein. Anstatt des Würfels,
der bei gleicher
Qualifikation ansonsten geworfen werden müßte, muß das Geschlecht
entscheiden und zwar
deshalb, weil Frauen bisher im Erwerbsleben benachteiligt wurden.
Mit einer Zurückverweisung hätte der EuGH die Chance gehabt, die
Entscheidung vom
17. Oktober letzten Jahres, die in der Öffentlichkeit europaweit kritisiert
wurde, neu zu überdenken oder zu präzisieren. Wir brauchen eine Quote
ohne wenn und aber: Nicht nur bei der Einstellung und Beförderung, sondern
auch zum Schutz vor überproportionalen Entlassungen, von denen Frauen heute
besonders betroffen sind.
Nach dieser Entscheidung besteht dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf:
- Die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie muß geändert werden.
- Die Gleichstellung von Frauen muß in einer europäischen Grundrechtscharta
festgeschrieben werden.
06.03.1996 nnnn