9. März 1994 - 0562
Einen Tag nach dem FrauenStreikTag: Koalition verweigert ordnungsgemäße
Beratung der Gleichstellungsgesetze im Frauenausschuß
Zu der für heute vorgesehenen Beratung der Gleichstellungsgesetze im
Frauenausschuß erklären die frauenpolitische Sprecherin der
SPD-Bundestagsfraktion, Hanna Wolf, die Vorsitzende der Ad hoc-
Arbeitsgruppe Gleichstellungsgesetz, Ilse Janz, und die
Bundestagsabgeordnete Dr. Marliese Dobberthien:
Einen Tag nach dem FrauenStreikTag sind die Koalitionsfraktionen nicht
bereit, den Gesetzentwurf zur Gleichstellung von Frauen in dem üblichen
Verfahren zu beraten und die einfachsten Regeln der Kollegialität im
parlamentarischen Bereich zu beachten.
Die Koalitionsfraktionen bestanden in der heutigen
Frauenausschußsitzung darauf, die Gesetzes- vorhaben, die von
entscheidender Bedeutung für die Situation von Frauen sind, in einer
Sitzung durchzuhetzen, obwohl die Voten der mitberatenden Ausschüsse noch
nicht vorlagen und die Ko- alitionsfraktionen im letzten Moment noch ein
30seitiges Änderungspaket eingebracht haben.
Sie erschienen erst später zur Sitzung und lehnten den SPD-Antrag auf
Vertagung ab. Den daraufhin von uns gestellten Antrag, in dieser Sitzung
noch nicht abschließend zu beraten, widersprachen sie ebenfalls.
Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen die parlamentarischen Regeln und
entzieht einem demokratischen Verfahren jeden Boden. Die SPD-Fraktion sah
sich daher gezwungen, den Ausschuß unter Protest zu verlassen.
Schon unserem vorhergehenden Antrag auf öffentliche Beratung hatten die
Koalitionsfraktionen widersprochen. Ihr gesamtes Verhalten läßt sich nur
so erklären, daß sie die Unzulänglichkeiten ihres Entwurfs für ein zweites
Gleichberechtigungsgesetz soweit wie möglich verbergen wollen, nachdem
sich die Sachverständigen in einer Anhörung des Frauenausschusses einig
waren, daß dieses Gesetz für die Frauen praktisch kaum Verbesserungen
bringt.
Im Gegensatz zu unserem Entwurf für ein Gleichstellungsgesetz, das für
alle Frauen gilt, ist der Entwurf der Bundesregierung auf nur 3 % der
erwerbstätigen Bevölkerung, nämlich der Beschäftigten in der
Bundesverwaltung, beschränkt. Es enthält weder eine Quote noch echte
Rechtsansprüche, die den Frauen den Weg zur Gleichstellung hin ebnen
könnten. 09.03.1994 nnnn