10. August 1994 - 1772
Hanna Wolf Verbesserter Opferschutz bei sexuellem Mißbrauch: Wieder nur
Versprechungen und keine Taten
Zu den heutigen Äußerungen der Bundesfrauen- und Jugendministe- rin
Angela Merkel über die Notwendigkeit eines verbesserten Op- ferschutzes
erklärt die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bun- destagsfraktion,
Hanna Wolf:
Offenbar anläßlich des Ansbacher Prozesses über zahlreiche sexu- elle
Mißbrauchsfälle erscheint es der Frauen- und Jugendministe- rin Merkel
opportun, wieder einmal mit Versprechungen an die Öf- fentlichkeit zu
gehen. Das Opferschutzgesetz solle dahingehend geändert werden, daß die
Gerichte auf die Vernehmung der Opfer in Anwesenheit der Angeklagten
verzichten müssen - bisher nur eine Kann Vorschrift -. Auch soll die
Zusammenarbeit von Ermitt- lungsbehörden und Jugendamt verbessert werden.
Bereits seit Jahren fordern wir einen stärkeren Schutz für Opfer
sexueller Gewalt im Prozeß. Dazu gehört nicht allein der Schutz vor der
Konfrontation mit dem Täter. So haben wir in einer über- fraktionellen
Initiative gegen sexuellen Mißbrauch auch die For- derung nach Schutz vor
Mehrfachvernehmungen von Opfern erhoben. Denn die mißbrauchten Kinder -
meist Mädchen - werden häufig drei- oder viermal in einem Verfahren
vernommen: bei der Poli- zei, bei der Staatsanwaltschaft und vor Gericht.
Die Belastungen für sie sind schwerwiegend. In den Niederlanden werden
Videoauf- nahmen der Erstvernehmung im Prozeß weiter verwendet, um das
nochmalige Aufrollen des Geschehens für die Opfer zu vermeiden.
Die Bundesregierung hat Jahre hindurch keinerlei Gesetzesinitia- tive
ergriffen, um den seit langen bekannten Problemen zu begeg- nen. Es nützt
den Opfern nichts, wenn jetzt vor der Wahl solche Versprechungen in den
Raum gesetzt werden. Was davon zu halten ist, zeigt das Beispiel der immer
noch nicht strafbaren Verge- waltigung in der Ehe. Vor einigen Wochen noch
hat Frau Merkel im Bundestag gegen den SPD-Gesetzentwurf zur Einführung
der Straf- barkeit der Vergewaltigung in der Ehe gestimmt. Jetzt vertritt
sie in der Öffentlichkeit eine gegenteilige Position. 10.08.1994 nnnn 1