11.10.96  

CSU-Initiative zum sexuellen Mißbrauch : Kein wirksamer Schutz
 
 

11. Oktober 1996 - 1806

AG Familie, Senioren, Frauen & Jugend

CSU-Initiative zum sexuellen Mißbrauch : Kein wirksamer Schutz

Zu der parlamentarischen Initiative der CSU "zum Schutz der Kinder vor Sexualstraftätern" erklärt die Frauenpolitikerin Hanna Wolf:

Die Gesetzesinitiative der CSU ist sowohl hinsichtlich der Anhebung des Strafmasses als auch hinsichtlich der Schutzmaßnahmen, die neben den Strafen ergriffen werden können, unzureichend und nicht geeignet, einen wirksamen Schutz der Kinder vor Eingriffen in ihre körperliche Integrität und sexuelle Selbstbestimmung zu schaffen.

Der sexuelle Mißbrauch von Kindern muß mit dem gleichen Strafmaß geahndet werden wie die sexuelle Nötigung und Vergewaltigung von Erwachsenen. Das bedeutet eine Mindeststrafe von 2 Jahren (Strafmaß für Vergewaltigung) und nicht nur 12 Monaten, wie es die CSU vorsieht.

Außerdem ist es dringend notwendig, daß den sich in den letzten Jahren entwickelten Systemen von Austausch und Vermittlung von Kindern zum sexuellen Mißbrauch entgegengewirkt wird. Die Vermittlung von Kindern innerhalb einer Gruppe, von sexuellen Mißbrauchstätern oder an andere Gruppen von Sexualtätern muß besonders unter Strafe gestellt werden. Hier ist ein Sonderstraftatbestand notwendig.

Während des Strafvollzugs muß eine intensive Therapie der Täter ermöglicht werden. Dazu ist es aber notwendig, ein klares Bild über die unterschiedlichen Tätertypen zu erlangen. In der Regel sind es nicht "perverse Fremdtäter", sondern der Vater, der Stiefvater, der Großvater oder der Onkel, die die Töchter, die Enkelkinder etc. mißbrauchen. Diese Täter brauchen eine Sozialtherapie. Dafür ist aber eine entsprechende Bereitschaft der Täter unbedingt erforderlich, wie die Erfahrungen aus entsprechenden Therapieprogrammen gezeigt haben. Mit einem Zwang zur Therapie und einer vorzeitigen Entlassung gegen Therapie werden keine Erfolge erzielt werden können. Mit der Reduzierung von zwei Rückfalltaten auf eine Rückfalltat für die Anordnung der Sicherungsverwahrung wird der Gefahr bei den weitaus überwiegenden Fällen nicht begegnet werden können. In dem größten Bereich sexueller Gewalt, nämlich in der Familie, haben Täter, bis sie vor Gericht kommen, oft über viele Jahre ein oder mehrere Kinder sexuell mißbraucht. Bei Nichttherapierbarkeit muß die Gesellschaft vor diesen Tätern geschützt werden. Auch ein erster Rückfall darf hier nicht abgewartet werden.

Die gesetzesgeberischen und politischen Maßnahmen dürfen nicht allein auf einige aktuelle Fälle von Fremdtätern beschränkt bleiben. Sondern müssen endlich dem Hauptbereich sexuellen Mißbrauchs, nämlich dem in der Familie, wirksam entgegentreten. Die SPD wird hierzu eine umfassende Anhörung mit Sachverständigen aus den europäischen Nachbarländern durchführen und dann ein Konzept vorlegen, das die Probleme wirklich angeht. 11.10.1996 nnnn 2