13. Dezember 1993 - 2968
Hanna Wolf Gewalt gegen Frauen muß strafrechtlich geahndet werden
Zu der Kampagne der Bundesfrauenministerin Merkel "Gewalt gegen Frauen"
erklärt die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hanna
Wolf:
Stellen sie sich vor, Raubüberfälle wären nicht strafbar und das
Innenministerium würde stattdessen eine Sensibilisierungskampagne "Gegen
Raub" durchführen.
In dem Material zu der Kampagne "Gewalt gegen Frauen"wird ausgeführt,
daß den Tätern meist das Unrechtsbewußtsein fehle. Das ist nicht
verwunderlich. Denn der größte Teil der Vergewaltigungen - nämlich die
sexuelle Gewalt in der Ehe - ist in der Bundesrepublik, anders als in
anderen europäischen Ländern wie z. B. Frankreich, noch immer kein
Straftatbestand. Seit Jahren verhindert die Bundesregierung die von der
SPD-Bundestagsfraktion hierzu vorgeschlagenen Gesetzentwürfe. Der letzte
Entwurf der Fraktion liegt seit zwei Jahren dem Bundestag vor.
Eine Sensibilisierungskampagne gegen Gewalt gegen Frauen ist
grundsätzlich richtig, und auch von uns bereits in der letzten
Legislaturperiode gefordert worden. Sie kann aber nur dann wirksam sein,
wenn von dem Gesetzgeber eindeutige Signale gesetzt werden. Nur
vordergründig geht es bei dem Problem der Gewalt gegen Frauen um ein
individuelles Problem. Die Broschüre des Frauenministeriums stellt immer
wieder auf die "Partnerschaft" ab. So heißt es:
"Partnerschaft gründet auf der Anerkennung der Würde und der
Entscheidungsfreiheit beider Partner".
Übersehen wird dabei, daß die häufig fehlende Entscheidungsfreiheit der
Partnerin ein strukturelles Problem ist. Sie erleidet oft jahrelang
körperliche und sexuelle Gewalt von ihrem Ehemann, weil sie wirtschaftlich
von ihm abhängig ist. Eine Politik gegen Gewalt gegen Frauen muß daher auf
die gesellschaftliche und wirtschaftliche Gleichstellung der Frau
gerichtet sein. Darüber hinaus sind Hilfestellungen für die betroffenen
Frauen erforderlich: Durch ein bundeseinheitliches Gesetz muß endlich die
Finanzierung von Frauenhäusern in der Bundesrepublik gesichert werden.
Außerdem muß gewährleistet werden, daß Frauen die eheliche Wohnung im
Falle von Gewalt durch ihren Ehemann zugewiesen wird.
Jede Gewalt gegen Frauen, d. h. die Tat - egal ob innerhalb oder
außerhalb der Ehe - muß eindeutig stigmatisiert und strafrechtlich
geahndet werden. Therapie für Täter kann immer nur eine Ergänzung zur
Strafe sein. Täter dürfen sich aber nicht durch Therapie der Strafe
entziehen. 13.12.1993 nnnn - 1 -
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