14. Februar 1995 - 0240
Hanna Wolf Gesetzentwurf der Justizministerin zur Vergewaltigung ist
nicht akzeptabel
Zu dem inoffiziellen Gesetzentwurf der Justizministerin zur Änderung
des Vergewaltigungsparagraphen erklärt die stellvertretende Sprecherin der
Arbeitsgruppe für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Hanna Wolf:
Die von der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarren- berger
vorgeschlagene Änderung des Vergewaltigungsparagra- phen ist eine
teilweise Verschlechterung des strafrechtli- chen Schutzes vor sexueller
Gewalt. Nach geltendem Recht ist die Vergewaltigung mit mindestens zwei
Jahren Frei- heitsentzug zu bestrafen. Nach dem inoffiziellen Gesetzes-
entwurf der Justizministerin wird die Vergewaltigung als eigener
Straftatbestand aufgehoben. Sie stellt lediglich einen besonders schweren
Fall der sexuellen Nötigung dar, die nur in der Regel mit mindestens zwei
Jahren Freiheits- strafe geahndet wird. Das bedeutet, daß in
Ausnahmefällen der normale Strafrahmen der sexuellen Nötigung von nur ei-
nem Jahr Mindeststrafe vom Gericht angewendet werden könn- te. Aus
Prozessen über sexuellen Mißbrauch und Vergewalti- gung wissen wir, wie
häufig die Gerichte dazu neigen, von Ausnahmeregelungen Gebrauch zu
machen.
Das zwingende Strafmaß von zwei Jahren ist deshalb so wichtig, weil ab
diesem Strafmaß Bewährungsstrafen ausge- schlossen sind. Außerdem gilt die
heute 20-jährige Verjäh- rungsfrist für Vergewaltigungen nur bei einem
eigenen Straftatbestand. Die Reform des Vergewaltigungsparagraphen zur
Gleichbe- handlung der Vergewaltigung innerhalb und außerhalb der Ehe darf
nicht dazu führen, die Strafwürdigkeit der Verge- waltigung gesetzlich
herabzusetzen. Dies wäre genau das falsche Signal und würde das Ziel der
Reform ins Gegenteil verkehren.Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits
einen Ge- setzentwurf zur Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe in
den Bundestag eingebracht, der am kommenden Freitag im Bundestag
debattiert wird. Nach diesem Gesetzentwurf ist für Vergewaltigungen nach
wie vor zwei Jahre Mindest- strafe vorgesehen. Der
Vergewaltigungstatbestand wird auch auf die Vergewaltigung innerhalb der
Ehe erweitert sowie auf die Tathandlungen der analen und oralen
Penetration. Es besteht keinerlei Anlaß, das Verbrechen der Vergewalti-
gung mit der sexuellen Nötigung - lediglich ein Vergehen -
zusammenzufassen, wie es die Justizministerin in ihrem Vorschlag tut. So
wie Mord nicht nur ein schwerer Fall des Totschlages ist, darf
Vergewaltigung nicht nur ein Fall schwerer Nötigung werden. Mord ist Mord
und Vergewaltigung ist Vergewaltigung.
Im übrigen ist der Vorschlag der Justizministerin noch im- mer nicht
offiziell, geschweige denn dem Bundestag vorge- legt. Zwischen den
Bundesministerien hat es noch nicht einmal auf Fachebene
Abstimmungsgespräche gegeben. Der Ge- setzentwurf kann daher nicht anders
als ein Schnellschuß angesichts der bevorstehenden Wahlen in Hessen
angesehen werden , durch den die Ministerin versucht, ihre Partei zu
profilieren. 14.02.1995 nnnn 2