14. April 1994 - 0797
Hanna Wolf Das Gleichberechtigungsgesetz der Bundesregierung: Für 1%
der erwerbstätigen Frauen
Zur heutigen Debatte zu den Gleichberechtigungs- /
Gleichstellungsgesetzentwürfen im Bundestag erklärt die frauenpolitische
Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hanna Wolf:
Trotz der massiven Kritik an ihrem Gleichberechtigungsgesetzentwurf
beharrt die Bundesregierung auf diesem Minimalentwurf. In der öffentlichen
Anhörung wurde der Gleichberechtigungsgesetzentwurf nahezu einhellig für
unzureichend erklärt. Sogar die von den Koalitionsfraktionen benannten
Sachverständigen übten erhebliche Kritik: "Was der Regierungsentwurf
regelt ist Frauenförderung ohne Biß" (Dr. Ute Sacksofsky)." Der
Regierungsentwurf ist weit hinter dem zurückgeblieben, was man
verfassungsrechtlich hätte machen können" (Prof. Battis).
Die Regierung versucht den Eindruck zu erwecken, daß durch den
Gesetzentwurf die Frauenförderung im Erwerbsleben vorangebracht wird.
Tatsächlich beschränkt das Gesetz die Frauenförderung auf 1% der
erwerbstätigen Frauen. Denn sie gilt nur für die Bundesbeamtinnen und
sonstigen Beschäftigten des Bundes: Durch die Privatisierung der
Bundesbahn und die geplante Privatisierung der Bundespost hat sich der
Anwendungsbereich von zunächst 3% auf nur noch 1% der weiblichen
Erwerbsbevölkerung reduziert, d. h. im wesentlichen die Frauen in den
Bundesministerien. Für den gesamten Bereich der Privatwirtschaft ist keine
Frauenförderung vorgesehen.
Der Entwurf der SPD für ein Gleichstellungsgesetz enthält dagegen ein
umfassendes Konzept für eine aktive Gleichstellungspolitik im öffentlichen
Dienst und in der Privatwirtschaft: Frauenfreundliches Handeln wird
honoriert, frauenfeindliches, diskriminierendes Verhalten wird mit
Sanktionen belegt.
Unser Gesetz schafft Tatsachen:
-Frauen müssen an Arbeitsfördermaßnahmen entsprechend ihrem Anteil an
der Arbeitslosigkeit beteiligt werden.
-Frauen dürfen bei Entlassungen nicht überproportional betroffen sein.
-Frauen müssen bei gleichwertiger Qualifikation gegenüber Männern
bevorzugt eingestellt und befördert werden.
-Außerdem sehen wir eine 50% Ausbildungsplatzquote für Frauen vor.
-Unternehmen, die Frauen gezielt fördern, werden bei der Vergabe
öffentlicher Aufträge bevorzugt.
Frauen werden nach unserem Gesetz am Mitbestimmungsprozeß durch die
Quotierung der Betriebs- und Personalräte beteiligt. Darüber hinaus wird
endlich dem weitgehenden Ausschluß von Frauen in öffentlichen
Entscheidungsgremien ein Schlußstrich gezogen. Wir führen die Quote für
die obersten Bundesgerichte , für Hochschulgremien, Rundfunkanstalten und
andere Gremien im Bereich des Bundes ein.
An allen diesen Instrumentarien fehlt es im Regierungsentwurf.
Frauenförderpläne sind das Mittel der Bundesregierung, aber ohne
Sanktionen bei Nichteinhaltung. Der Regierungs-entwurf erschöpft sich in
vagen Soll- oder Kannbestimmungen, die durch Ausnahmemöglichkeiten auch
noch ausgehöhlt werden. Jede effektive Fördermaßnahme wurde aufgrund der
Zerstrittenheit innerhalb der Koalition verhindert.
Nach langen Debatten in der Verfassungskommission des Bundestages ist
es schließlich gelungen, den Gleichberechtigungssatz (Artikel 3 GG) wie
folgt zu ergänzen "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der
Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung
bestehender Nachteile hin".
Das 1%-Gesetz der Bundesregierung wird diesem Auftrag an den
Gesetzgeber in keiner Hinsicht gerecht.
14.04.1994 nnnn