16.07.96  

EU-Regierungskonferenz 1996: Bundesregierung tut nichts für Frauen
 
 

16. Juli 1996 - 1301

Querschnittsgruppe Europa

AG Familie, Senioren, Frauen & Jugend

EU-Regierungskonferenz 1996: Bundesregierung tut nichts für Frauen

Zu der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion "Regierungskonferenz 1996: Verankerung von Frauenrechten in der EU" erklären die Frauenpolitikerin Hanna Wolf und die europapolitische Sprecherin Heidi Wieczorek-Zeul:

Die Bundesregierung will weder eine EU-Kommissarin für Gleichstellung noch eine Quote für die Besetzung der EU-Organe. Es fehlt an jeder Initiative der Regierung, um die Gleichstellung von Frauen in Europa voranzutreiben.

In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage "Regierungskonferenz 1996: Verankerung von Frauenrechten in der EU" versucht die Bundesregierung den Eindruck zu erwecken, als bestünde kein akuter Handlungsbedarf zur Gleichstellung von Frauen auf Europa-Ebene. Sie zieht sich auf den Standpunkt zurück, daß eine Einbringung von Vorschlägen entweder nicht oder jedenfalls jetzt nicht notwendig sei.

So antwortet die Bundesregierung auf unsere Frage, ob sie sich für ein Grundrecht auf Gleichstellung und die Verpflichtung zu aktiver Frauenförderung auf EU-Ebene einsetzt, daß sie die Aufnahme einzelner Grundrechte zwar für "denkbar" halte, es jedoch verfrüht erscheine, schon abschließende Entscheidungen zu treffen. Eine Festlegung der Gleichstellung als Grundrecht in den europäischen Verträgen ist aber entscheidend, damit Frauen auch einen einklagbaren Anspruch auf Gleichstellung erhalten.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet sich heute lediglich in Art. 119 EG-Vertrag und ist dort nur hinsichtlich der Lohngleichheit von Männern und Frauen festgeschrieben. Dennoch strebt die Bundesregierung keine Neufassung des Art. 119 an, um ausdrücklich alle Aspekte der Beschäftigung und der sozialen Sicherheit einzubeziehen.

Von Fachleuten, z. B. des Juristinnenbundes, wird die Ungleichheit der Bewertungsstrukturen der Tarife im öffentlichen Dienst kritisiert, da typische Frauenberufe, wie insbesondere Krankenschwester und Erzieherin, trotz entsprechender Qualifikation wesentlich geringer entlohnt werden als typische Männerberufe. Dies ist ein eindeutiger Verstoß gegen Art. 119 EG-Vertrag und die dazu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Die Bundesregierung weist diese Kritik als Unterstellung zurück und sieht sich nicht veranlaßt, eine Überprüfung der BAT-Tarife in ihrer Funktion als Arbeitgeberin im öffentlichen Dienst vorzunehmen.

Das weithin kritisierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur leistungsbezogenen Quote des Bremer Gleichstellungsgesetzes veranlaßt die Bundesregierung nicht zum Handeln. Im Gegenteil erklärt sie, daß sie sich nicht für die Ermöglichung und Verankerung der Quote in einer neu gestalteten Richtlinie einsetzen werde. Bei einem rein männlich besetzten Europäischen Gerichtshof sieht die Bundesregierung auch nicht die Notwendigkeit einer Quote oder sonstiger Änderungen bei der Besetzung dieses Gremiums. Im Gegenteil erklärt die Bundesregierung ausdrücklich, daß sich das Auswahlverfahren für die Besetzung des Gerichts in der Vergangenheit bewährt habe. Es ist dann nur konsequent, wenn die Bundesregierung auch keine Kommissarin für die Gleichstellung von Frauen fordern will, da dies alles von dem männlichen Kommissar in seiner Zuständigkeit erledigt werde.

Mit dieser Haltung bleibt die Bundesregierung eine Antwort auf die dringenden Fragen von Frauen in der EU schuldig:

- Wie soll die Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben endlich beseitigt werden, und was will die Bunderegierung tun, um zu verhindern, daß die Grundrechte, die in der deutschen Verfassung garantiert sind, nicht im Prozeß der Europäischen Integration ausgehöhlt werden?

- Auf welche Weise soll der um durchschnittlich ein Drittel niedrigere Lohn von Frauen endlich angeglichen werden ?

- Wie soll die höhere Arbeitslosigkeit von Frauen abgebaut werden ?

- Wie sollen Frauen endlich hochqualifizierte und gut bezahlte Stellen bekommen, auch hohe Führungspositionen, in denen sie heute noch nicht einmal zu fünf Prozent vertreten sind?

Ebensowenig wie auf Bundesebene hat die Bundesregierung ein Konzept für die Gleichstellung von Frauen auf EU-Ebene. Wenn sie die Quote ablehnt, muß sie eine wirksame Alternative aufzeigen. Dies hat sie bis heute nicht getan.

16.07.1996 nnnn 1