17. Juni 1994 - 1347
Hanna Wolf Kohl-Regierung verweigert Strafbarkeit der Vergewaltigung in
der Ehe
Zu dem Ergebnis der Beratungen im Rechtsausschuß zu dem SPD-
Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe erklärt die
frauenpolitische Sprecherin der SPD- Bundestagsfraktion, Hanna Wolf:
Seit zweieinhalb Jahren liegt der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion über
die Vergewaltigung in der Ehe dem Bundestag vor. Die Koalitionsfraktionen
blockieren jedoch die Verabschiedung, wie schon bei den früheren
Gesetzentwürfen der SPD-Fraktion in den letzten Legislaturperioden.
Statt endlich eine Entscheidung herbeizuführen, vertagten die
Koalitionsfraktionen die Beschlußfassung und schlugen eine Anhörung zu dem
Thema vor. Die Fakten sind jedoch seit langem bekannt: Jede zehnte Frau
ist in der Ehe sexueller Gewalt ausgesetzt. Zahlreiche
Sachverständigenanhörungen auf Landes- und Bundesebene sind immer wieder
zu dem gleichen Ergebnis gekommen: Zum Schutz der Frauen vor sexueller
Gewalt innerhalb der Ehe muß ein Straftatbestand ins Gesetz aufgenommen
werden. Das Recht auf körperliche Integrität und sexuelle Selbstbestimmung
muß auch für verheiratete Frauen in gleichem Maße gelten. Das verlangt
schon das Grundrecht der Unantastbarkeit der Würde des Menschen.
Die durch die Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD
beschlossene Anhörung ist nichts anderes als ein Manöver, um weiterhin
eine Beschlußfassung im Bundestag zu verhindern. Die Bundesregierung weiß
sehr wohl, daß Frauen - und zwar unabhängig von ihrer politischen
Orientierung - keinerlei Verständnis für eine Ablehnung der Strafbarkeit
der Vergewaltigung in der Ehe hätten. Wie immer gehen die chauvinistischen
Interessen der Konservativen und der Schein-Liberalen vor. Es kann nur als
zynisch aufgefaßt werden, wenn die Bundesfrauenministerin eine
"Kummer"-Anhörung abhält, in der sie sich das Elend der geschlagenen und
sexuell mißhandelten Frauen anhört und zum gleichen Zeitpunkt ihre
Koalitionskollegen im Rechtsausschuß eine Entscheidung über die
Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe auf die lange Bank schieben.
Mit dem Beschluß über diese Alibi-Anhörung ist das Vorhaben aus dieser
Legislaturperiode herauskatapultiert. 17.06.1994 nnnn