>  Dokumentenansicht
> Download als WinWord-Dokument
> Download als ASCII-Text

Koalitionskompromiß zur Vergewaltigung: Immer noch weniger Schutz für Ehefrauen

20. September 1995 - 1478

Hanna Wolf Koalitionskompromiß zur Vergewaltigung: Immer noch weniger Schutz für Ehefrauen

Zu dem von den Fraktionsspitzen der Koalition beschlosse- nen Kompromiß zur Vergewaltigung erklärt die Frauenpoli- tikerin der SPD-Bundestagsfraktion, Hanna Wolf:

Nach dem Kompromiß der Führung der Koalitionsfraktionen wird jetzt auch die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt. Diese Entscheidung ist längst überfällig. Die SPD-Bundestagsfraktion hat schon seit langem Gesetz- entwürfe mit diesem Ziel in den Bundestag eingebracht.

Die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe gilt nach dem Entwurf der Koalition aber nicht, wenn das Opfer wi- derspricht. Es läßt sich nur unschwer vorstellen, welcher Druck von dem Ehe-mann oder seiner Familie ausgeübt wird, um Frauen zur Ausübung des Widerspruchsrechts zu bewegen. Das Gericht wird davon nur in den seltensten Fällen Kennt- nis erlangen. Hat die Frau erst einmal widersprochen, soll sie zudem nicht mehr die Möglichkeit haben, den Wider- spruch zurück-zunehmen. Der tiefere Sinn dieser Regelung ist völlig unverständlich. Das Widerspruchsrecht wird auch kaum dadurch in seiner Wirkung abgemildert, daß dieses un- beachtlich ist, wenn ein beson-deres öffentliches Inter- esse an der Strafverfolgung besteht. Denn dies ist ein auslegbarer Begriff. Nimmt man ihn ernst, so müßte doch in jedem Fall ein öffentliches Interesse daran bestehen, ei- nen Vergewaltiger zu verurteilen. Eine solche Regelung würde nur dazu führen, das sexuelle Selbstbe-stimmungs- recht einzelner Frauen unterschiedlich zu bewerten.

Ich muß daran erinnern, daß das sexuelle Selbstbestim- mungsrecht der Frauen gerade erst in Peking als Menschen- recht bestätigt worden ist. Auch deshalb darf der Staat keinen minderen Schutz für Ehefrauen vorsehen. 20.09.1995 nnnn