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Süssmuths "nationaler Wettbewerb" zur Frauenförderung eine Bankrotterklärung der Bundesregierung

21. Januar 1994 - 0174

Hanna Wolf Süssmuths "nationaler Wettbewerb" zur Frauenförderung eine Bankrotterklärung der Bundesregierung

Zur Forderung von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth nach einem Ideenwettbewerb für mehr Frauenbeteiligung erklärt die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hanna Wolf:

Die Arbeitsgruppe Frauen und Jugend der SPD-Bundestagsfraktion schickt Frau Süssmuth nochmals gern alle SPD-Gesetzentwürfe zu, falls es ihr entgangen ist, welche Vorschläge bereits verabschiedungsreif auf dem Tisch liegen. Es gibt keinen Mangel an Ideen, sondern an Taten! Frau Süssmuth ist nicht nur Bundestagspräsidentin, sondern auch Vorsitzende der Frauenunion, die bekanntlich ein Teil der CDU/CSU ist. Diese Parteien sind seit 1982 an der Regierung, und diese Regierung ist verantwortlich für die Verschleppung, Behinderung und Verhinderung von Fortschritten für Frauen. Über unverbindliche Ratschläge hinaus hat die Regierung kein Konzept.

Frau Süssmuth fragt sich, wie der Frauenanteil in den Parlamenten erhöht werden kann. Sie braucht im Bundestag nur nach der linken Seite des Hauses zu sehen. Die SPD-Abgeordneten aus Bayern z. B. werden nach der Wahl sogar zur Hälfte Frauen sein. Im Bayerischen Landtag werden die Hälfte der SPD- Abgeordneten Frauen sein, wenn die Wählerinnen und Wähler die vorgeschlagene Liste nicht verändern. Im Münchner Stadtrat besteht die Hälfte der SPD-Fraktion aus Frauen. - Wie? Durch die Quote! Aber die Quote hat die CDU/CSU ja abgelehnt.

Frau Süssmuth weiß, daß die Nichtwählerinnen sich für Politik nicht (mehr) interessieren, weil sie gemerkt haben, daß sie nichts verändern können. Dieser Eindruck ist völlig richtig, wenn die Frauen sehen, was die Bundesregierung für Frauen getan oder nicht getan hat:

-Die Regierungsmehrheit hat zunächst einen 218-Kompromiß hinausgeschoben und sich bis zur Schmerzgrenze Zugeständnisse abhandeln lassen und hat dann das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht zum Scheitern gebracht. Seit 120 Jahren kämpfen sich Frauen und die SPD schon an diesem Paragraphen kaputt.

-Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz wird immer wieder zur Disposition gestellt, die Möglichkeit einer qualifizierten Ganztagsbetreuung von Kindern und Jugendlichen ist immer noch die Ausnahme.

-Der Entwurf eines "Gleichberechtigungsgesetzes" der Bundesregierung ist so schlecht, daß er im Gegensatz zum Gleichstellungsgesetz der SPD bei der jüngsten parlamentarischen Anhörung selbst bei den meisten von der Regierung benannten Expertinnen und Experten durchgefallen ist.

-Beim Ringen um eine reformierte Verfassung war die Regierungsmehrheit nicht zu bewegen, dem Gleichberechtigungsartikel in Form einer Kompensationsklausel Zähne zu verleihen oder die Privilegierung der Trauscheinehe zugunsten von Zusammenleben Erwachsener mit Kindern aufzuheben.

-Nach der Regierung ist Vergewaltigung immer noch kein Straftatbestand, wenn sie in der Ehe stattfindet.

-Die Bundesregierung hat kein Konzept zur Förderung der existenzsichernden Frauenerwerbsarbeit. Der größte Teil der Frauen hat kein oder nur ein nicht-existenzsicherndes Einkommen. Ihr Anteil an der Erwerbslosigkeit ist z. B. im Osten doppelt so hoch wie der der Männer.

-Alleinerziehende Frauen sind die typischen Armen. Von einer steuerlichen "Entlastung" haben sie nichts.

Hier braucht kein Wettbewerb mehr den Frauen die Politik verständlich zu machen. Der "nationale Wettbewerb" wird die Wahl sein. Die SPD wird dafür sorgen, daß "wieder mehr über Maßnahmen und Verfahren gesprochen" wird, um das Ziel der Gleichberechtigung zu erreichen. Die SPD wird aber nicht nur darüber sprechen, sondern mit der nötigen Mehrheit der Stimmen der Frauen nach der Wahl alle Gesetzentwürfe verabschieden und in Kraft setzen, die die SPD in dieser Legislaturperiode vorgelegt und die die jetzige Regierung immer abgeschmettert hat.

Die SPD wird die Glaubwürdigkeitslücke zwischen den Frauen und der Politik wieder schließen.

21.01.1994 nnnn