24. April 1996 - 0702


Neuer Koalitionsentwurf zur Vergewaltigung ist unakzeptabel: Für Ehefrauen minderer Rechtsschutz vorgesehen

Anläßlich der heutigen Ausschußberatungen zu dem neuen Koalitionsentwurf zur Strafbarkeit der Vergewaltigung erklären die SPD-Bundestagsabgeordneten Anni Brandt-Elsweier und Hanna Wolf:

Entgegen vereinzelter "schöner" Reden aus der Regierungsmehrheit bei früheren Plenardebatten des Bundestages stellt der Gesetzentwurf der Koalition noch immer nicht die Vergewaltigung in der Ehe mit der Vergewaltigung außerhalb der Ehe strafrechtlich gleich. Die von Rechtssachverständigen und Frauenhäusern stark kritisierte Widerspruchsklausel ist auch in dem neuen Entwurf enthalten. Bei keinem anderen Offizialdelikt im Strafrecht gibt es eine derartige Klausel, die zur Einstellung des Verfahrens führt. Es liegt auf der Hand, daß der Täter die Ehefrau unter Druck setzen wird, von dem vorgesehenen Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen. Auch wenn der Widerspruch nach dem neuen Entwurf persönlich vor dem Staatsanwalt bzw. dem Gericht erklärt werden muß, wird es nicht möglich sein, zu beurteilen, ob die Frau freiwillig oder unter Druck gehandelt hat. Die Frau selbst kann ihren ursprünglichen Widerspruch auch nicht mehr zurücknehmen.

Im Gegensatz zur Koalition hat die SPD-Fraktion aus der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuß des Bundestages am 6. Dezember 1995 die Konsequenz gezogen: Wir ändern unseren Gesetzentwurf so, daß es keine Unterschiede mehr gibt zwischen sexueller Gewalt innerhalb und außerhalb einer Ehe oder Lebensgemeinschaft. Eine Frau darf durch Heirat nicht den vollen strafrechtlichen Schutz des Gesetzes verlieren. Ein Rechtsstaat darf sich eine solche Diskriminierung nicht leisten. Die SPD-Bundestagsfraktion beantragt deshalb heute im Ausschuß, jegliche Sonderklauseln zu streichen.

Außerdem stellt die SPD den Antrag, den Sonderstraftatbestand des sexuellen Mißbrauchs an Widerstandsunfähigen aufzuheben. Damit sollen künftig Behinderte ebenso strafrechtlich vor sexuellen Übergriffen geschützt werden wie Nichtbehinderte.
24.04.1996 nnnn