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SPD legt Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe vor: Endlich Anschluß an Europa

25. Januar 1995 - 0102

SPD legt Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe vor: Endlich Anschluß an Europa

Zu der heutigen Einbringung des Gesetzentwurfs zur Straf- barkeit der Vergewaltigung in der Ehe und weiterer Erwei- terungen des Vergewaltigungsparagraphen erklären die stellvertretende Sprecherin der Arbeitgsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Hanna Wolf, und die SPD-Bun- destagsabgeordnete Erika Simm:

Bisher endet das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Ehe- frauen in der Bundesrepublik beim Standesamt. Im Gegensatz zu den meisten westeuropäischen Ländern, den USA, vielen osteuropäischen Staaten etc. gilt der Vergewaltigungspara- graph in der Bundesrepublik nicht für sexuelle Übergriffe innerhalb ehelicher Beziehungen. In dem heute von unserer Fraktion in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf wird diese Ausnahme aufgehoben. In Zukunft soll eine Vergewal- tigung - egal ob durch den Ehemann oder einen anderen Mann begangen - mit der gleichen Strafe bedroht werden. Wenn die Ehefrau trotz der Vergewaltigung weiter Interesse an der Aufrechterhaltung der ehelichen Beziehungen hat, kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen. Das gleiche gilt für eheähnliche Beziehungen zwi- schen dem Täter und dem Opfer.

Der Vergewaltigungstatbestand soll zudem insgesamt erwei- tert werden. Neben dem "Beischlaf" (vaginale Penetration) soll in Zukunft auch die orale und anale Penetration als Vergewaltigung strafbar sein. Diese beiden Formen des se- xuellen Übergriffs sind eine mindestens ebenso schwere Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts der Frau wie die vaginale Penetration und entwürdigt und erniedrigt sie zumindest in gleicher Weise, so daß dies nicht länger nur als sexuelle Nötigung strafbar sein darf. Auch homose- xuelle Übergriffe werden durch diese Neuformulierung als Vergewaltigung strafbar.

Die geltende Fassung des Vergewaltigungsparagraphen hat sich in Folge der engen Auslegung des Gewaltbegriffs durch die Rechtsprechung als unzureichend erwiesen. Sofern nicht die Anwendung physischer Gewalt seitens des Täters und ei- ne Gegenwehr des Opfers nachgewiesen wird, erfolgt Frei- spruch. Häufig sehen die Opfer aus Angst oder weil sie al- lein und ohne Hilfe sind, keine Möglichkeit, Widerstand zu leisten. Durch die Einbeziehung der "Ausnutzung einer hilflosen Lage" in die Strafvorschrift soll endlich auch in diesen Fällen strafrechtlicher Schutz gewährt werden.

Vor über zehn Jahren schon hat die SPD-Bundestagsfraktion - als erste Fraktion im Bundestag - die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe beantragt. Auch in der letzten Legislaturperiode ist unser Gesetzentwurf wieder an der fehlenden Zustimmung der Koalition gescheitert. Wir erwar- ten, daß sie sich jetzt endlich den europäischen Nachbar- staaten anschließt und eine Reform des Vergewaltigungspa- ragraphen in der Bundesrepublik nicht länger verhindert. 25.01.1995 nnnn 2