26. Mai 1994 - 1164
Hanna Wolf Koalitions-Gesetzentwurf zum Schwangerschaftsabbruch:
Machtkalkül der FDP-Frauen auf Kosten von Frauen
Anläßlich der heutigen Bundestagsdebatte zu den Gesetzentwürfen über
die Anpassung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes an das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts erklärt die frauenpolitische Sprecherin der
SPD-Bundestagsfraktion, Hanna Wolf:
Die parteiübergreifenden Gemeinsamkeiten zugunsten der Frauen sind
vorbei. Die Mehrheit, die noch den Gruppenantrag zum § 218 getragen hat,
gibt es nicht mehr. Die FDP hat es vorgezogen, sich - wie sie glaubt - auf
die Seite der Macht zu schlagen. Aus diesem Kalkül heraus bleiben die
Frauen auf der Strecke.
Würde der Entwurf der Koalitionsfraktionen Gesetz werden, würde das
eine unzumutbare Bevormundung von schwangeren Frauen bedeuten. Die
Koalitionsfraktionen haben nicht die Spielräume des Urteils des
Bundesverfassungsgerichts ausgenutzt, um Frauen so wenig wie möglich im
Vorfeld eines von ihnen gewünschten Abbruchs zu belasten:
-Nach dem Koalitions-Entwurfs tritt die Eigenverantwortung der Frau bei
der Beratung hinter den Schutz des werdenden Lebens zurück.
-Neben der Beratung durch die Beratungsstellen wird die Frau einer
weiteren Befragung durch den Arzt unterzogen, bei der sie ihm die Gründe
für den Schwangerschaftsabbruch darlegen muß.
-Ohne Indikation können Frauen nur über die Sozialhilfe Kostenersatz
erhalten.
-Durch unpräzise Straftatbestände werden die Personen im Umfeld der
Schwangeren der Gefahr einer Kriminalisierung ausgesetzt.
Der SPD-Gesetzentwurf gibt dagegen der Eigenverantwortung der Frau
einen größeren Stellenwert als der Koalitionsentwurf und erspart den
Frauen im Wege eines Leistungsgesetzes die Belastungen, die mit der
Inanspruchnahme von Sozialhilfe verbunden sind. Eine quasi "Zweitberatung"
durch den Arzt muß die Schwangere nicht über sich ergehen lassen.
Wer die Situation von Frauen vor einem Schwangerschaftsabbruch ernst
nimmt, kann den zusätzlichen Belastungen für Frauen aufgrund der
gesetzlichen Anforderungen nach dem Koalitionsentwurf nicht zustimmen. Wir
werden daher gegen den Gesetzentwurf der CDU/CSU und FDP stimmen.
Die SPD-Mehrheit im Bundesrat wird diesen Koalitions-Gesetzentwurf aus
den gleichen Gründen stoppen. 26.05.1994 nnnn 1