27. Juni 1995 - 1045
Hanna Wolf Niedersachsens Initiative zur Gleichstellung von Lesben und
Schwulen greift zu kurz
Zu den Beratungen für Rechte gleichgeschlechtlicher Le-
bensgemeinschaften heute im niedersächsischen Kabinett er- klärt die
Frauenpolitikerin der SPD-Bundestagsfraktion, Hanna Wolf:
Ich begrüße die niedersächsische Initiative für eine rechtliche
Absicherung lesbischer und schwuler Lebensge- meinschaften, halte aber
eine Erweiterung des Modells für notwendig, damit keine neuen
Diskriminierungen geschaffen werden.
In der Verfassungskommission hat sich die SPD-Bundestags- fraktion für
ein Benachteiligungsverbot von Lesben und Schwulen im Grundgesetz
eingesetzt, das leider jedoch an der konservativen Mehrheit in der
Verfassungskommission gescheitert ist. Der Niedersachsen-Entwurf ist ein
erneu- ter Versuch gleichgeschlechtliche Lebensformen gleichzu- stellen.
Wichtig sind insbesondere das Zeugnisverweige- rungsrecht im Strafprozeß,
ein verbesserter mietrechtli- cher Schutz, die Aufhebung der
Diskriminierungen im Erb- fall und die Einführung eines Aufenthaltsrechts
für aus- ländische Partnerinnen bzw. Partner.
Das Erfordernis einer Registrierung zur Geltendmachung all dieser
Rechte führt jedoch zu einem Ausschluß derjenigen, die einen solchen
staatlichen Akt für ihre Lebensbeziehung nicht wünschen, dennoch aber
beispielsweise in erhebliche Konflikte kommen, wenn sie gegen ihre
Partnerin bzw. ihren Partner in einem Strafverfahren aussagen müssen. Enge
zwi- schenmenschliche Beziehungen mit vergleichbarer Konflikt- lage
bestehen zudem auch unter langjährigen Freundinnen oder Freunden, die
keine sexuellen Beziehungen haben.
Das Niedersächsische Modell greift zu kurz und berücksich- tigt nicht
ausreichend die unterschiedlichen Lebensformen, sondern bleibt allein der
staatlich abgesegneten Paarbe- ziehung verhaftet.
Es ist gut, daß ein Vorschlag da ist. Aber es besteht noch erheblicher
Diskussionsbedarf. 27.06.1995 nnnn