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Merkel-Gleichberechtigungsgesetz: Frauenpolitische Null-Bilanz =

31.August 1994 - 1902

Hanna Wolf Merkel-Gleichberechtigungsgesetz: Frauenpolitische Null-Bilanz

Anläßlich des Inkrafttretens des Gleichberechtigungsgesetzes am 1.9.1994 erklärt die frauenpolitische Sprecherin der SPD- Bundestagsfraktion, Hanna Wolf:

In dieser Zeit der wachsenden Erwerbslosigkeit von Frauen gerade in den neuen Bundesländern hätte ein Gleichberechtigungsgesetz für Frauen wieder ein Anlaß zu neuer Hoffnung sein können. Mit der Beschränkung der Frauenförderung auf einen kleinen Ausschnitt der weiblichen Erwerbsbevölkerung, nämlich den Beschäftigten der Bundesverwaltung, ist das Gesetz für alle Frauen, die Arbeitsplätze in der Industrie und Wirtschaft suchen oder behalten wollen, bedeutungslos. In einem wichtigen Punkt bringt es sogar Nachteile: Werden sie bei der Einstellung oder bei der Beförderung wegen ihres Geschlechts diskriminiert, wird der Schadensersatz entgegen der heutigen Rechtsprechung durch eine Höchstgrenze niedriggehalten. Bei Diskriminierung mehrerer Bewerberinnen gibt es einen "Mengenrabatt".

Aber auch für die ca. 100 000 weiblichen Beschäftigten in den Bundesbehörden ist das Gesetz nur ein Tropfen auf den heißen Stein. An der männlich dominierten Hierarchie in der Verwaltung (z. B. nur 6 % Referatsleiterinnen, 3 % Abteilungsleiterinnen) wird dies nichts ändern, da die Frauenförderung weitgehend im Ermessen der Personalverwaltung bleibt und der Frauenbeauftragten nicht die notwendigen Rechte eingeräumt werden. So ist die Freistellung für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben davon abhängig, ob die Behörde dies für erforderlich hält. Beanstandet die Frauenbeauftragte eine personalpolitische Entscheidung, kann sich die Behördenleitung ohne Schwierigkeiten darüber hinwegsetzen. Quotenregelungen fehlen völlig, die in Frauenförderplänen festzulegenden Zielvorgaben sind im Gesetz weder der Höhe nach bestimmt noch finden sich dort konkrete Kriterien für ihre Bemessung. Werden die dann voraussichtlich ohnehin niedrigen Vorgaben nicht eingehalten, ist die Behörde aus dem Schneider, wenn sie nur die Gründe dafür mitteilt. Erleichterte Beurlaubung und Teilzeitarbeit wegen Kinderbetreuung ist allein Beamtinnen und Beamten vorbehalten und nicht einmal auf die Angestellten im öffentlichen Dienst erweitert worden.

Die Bundesregierung ist mit diesem Gesetz weder dem Auftrag aus dem Einigungsvertrag nachgekommen, die Gesetzgebung zur Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen zu entwickeln, noch dem Auftrag, angesichts der unterschiedlichen Ausgangspositionen in Ost und West Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen.

Mit dem Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion, der jedoch an der Koalitionsmehrheit im Bundestag gescheitert ist, haben wir ein solches Regelwerk vorgelegt:

-Frauenförderung im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft, -leistungsbezogene Quote, d. h. bevorzugte Einstellung und Beförderung von Frauen bei gleicher Qualifikation, -verbindliche Zielvorgaben mit Sanktionen bei Nichteinhaltung, -Frauenbeauftragte mit Freistellungsanspruch und starker Rechtsposition bei Personalentscheidungen und -planungen, -Quotierung von Personal- und Betriebsrat, -bevorzugte Vergabe öffentlicher Aufträge an Unternehmen mit Frauenförderprogrammen, -Schutzklausel für Frauen vor überproportionalen Entlassungen, -ABM-Quote für Frauen.

Dies ist unser frauenpolitisches Konzept, das wir nach der Wahl am 16. Oktober für alle Frauen in der Bundesrepublik umsetzen wollen. ******üs

31.08.1994 nnnn